Vortrag: Was ist schön?

 

Ästh. Medizin zwischen ärztlicher Dienstleistung und Medienhype

 

Neben der Tagespresse kann man heute kaum ein Hochglanzmagazin aufschlagen, ohne mit Jubelmeldungen über die Möglichkeiten der Kosmetischen Chirurgie /Medizin vulgo Schönheitschirurgie konfrontiert zu werden. Je gelber die Presse, umso höher werden Zahlen und Bedarf ge- und bejubelt.
Warum ein Mensch überhaupt bereit ist, sich einer Körperverletzung freiwillig zu unterziehen. Es ist das Grundverlangen jedes Menschen, geliebt und bewundert zu werden. Dazu möchte er nach aktuell geltenden Normen oder vermeintlichen solchen zumindest schön, dynamisch, erfolgreich, manchmal auch jünger wirken als er tatsächlich ist. Es ist Ihnen sicher aufgefallen, dass in dieser Aufstellung das Wort „gesund“ fehlt. In einer etwas ironischen Definition ist Gesundheit nämlich nur die Abwesenheit von Leid und Unwohlsein, so dass die eingangs genannten Begriffe die Motivation nach dem schönen Schein dominieren.

 

Schiller meint, dass „das Schöne durchaus eine philosophische Dimension besitzt und ein Ausdruck der Freiheit ist, die wir innerhalb der Natur als Menschen als einzige genießen“.

 

Mit der Beschränkung der ästhetischen Tätigkeit auf die Oberfläche des Körpers sind Erfolge oder Misserfolge plastisch-chirurgischen und/ oder medizinischen Handelns für Jeden offensichtlich, aber im Gegensatz zur Knochenchirurgie oder funktionellen Aspekten der Bauchchirurgie weder scharf messbar noch mit „Ja, funktioniert“ oder „Nein, funktioniert nicht“ zu bemessen. Als Maßstab für den Erfolg einer medizinisch ästhetischen Behandlung gilt überwiegend die Übereinstimmung zwischen dem tatsächlich erbrachten Ergebnis mit den Erwartungen des Patienten. Dadurch kommt der Definition der Erwartung des Patienten ein hohes gemeinsames Interesse zu, welches in teilweise langen, ausführlichen und wiederholten Gesprächen vor einem wie immer gearteten Eingriff definiert und festgelegt werden muss.

 

Diese Offensichtlichkeit des Ergebnisses, die ja nicht nur vom Patienten selbst, sondern auch von seiner unmittelbaren Umgebung wahrgenommen wird, ist also in ihrer Beurteilung sehr subjektiven Parametern ausgesetzt.

 

Lassen Sie mich kurz beleuchten, warum ein Mensch überhaupt bereit ist, sich einer Körperverletzung freiwillig zu unterziehen. Es ist das Grundverlangen jedes Menschen, geliebt und bewundert zu werden. Dazu möchte er nach aktuell geltenden Normen oder vermeintlichen solchen zumindest schön, dynamisch, erfolgreich, manchmal auch jünger wirken als er tatsächlich ist. Es ist Ihnen sicher aufgefallen, dass in dieser Aufstellung das Wort „gesund“ fehlt. In einer etwas ironischen Definition ist Gesundheit nämlich nur die Abwesenheit von Leid und Unwohlsein, so dass die eingangs genannten Begriffe die Motivation nach dem schönen Schein dominieren.
Es ist mittlerweile messbar und nachgewiesen, dass die Menschen der Industriestaaten heute altersbezogen dynamischer, lebensfroher und gesünder leben, als sie dies von ihren Vorfahren in Erinnerung haben. Im groben Durchschnitt geht es uns heute mit 60 Jahren noch so gut wie unseren Großeltern mit 45, wir fürchten aber mit 60 so auszusehen wie diese mit 70.

 

Wenn wir uns diesem Thema aber ernsthaft nähern, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Medizin ganz allgemein heute nicht mehr nur dazu da ist, Leben zu retten und Krankheiten zu heilen, sondern vor allem Leid zu lindern. Nun ist Leid ein sehr subjektiver Begriff, möglicherweise auch stimmungsabhängig, vor allem aber nicht messbar. Vor allem ist die subjektive Wahrnehmung von Leid dem Urteil der Umwelt nicht wirklich zugänglich und, wenn auch unbewusst, häufig in der Kindheit und aus der Beziehung zu Bezugspersonen verankert. Die Spannweite ist beträchtlich zwischen dem kindlichen Hänseln über abstehende Ohren, der pubertären Unsicherheit über das eigene Körperbild und die Unerträglichkeit einer vermeintlich zu großen Nase bis hin zu den zur Erinnerung an die Tränensäcke der geliebten Großmutter spannt sich der Bogen und die in dem täglichen Werbe-Bombardement postulierte Perfektion des menschlichen Körpers in allen seinen Facetten trägt nur zur weiteren Verunsicherung bei. Das einfühlsame, gelegentlich intime Details erschürfende Gespräch muss Voraussetzung sein, bevor die Entscheidung zu einem Eingriff getroffen wird. Primär ist der Arzt hier gefordert, wirtschaftliche Aspekte hintenan und die Hilfe für den Patienten voran zu stellen (nicht Kunden).